Die Bahn

Als ausgebildeter Eisenbahner im Betriebsdienst Fachrichtung Fahrweg (kurz: Fahrdienstleiter) will ich auch mal meine Meinung zur aktuellen Bahn-Lage loswerden.

Ich muss sagen, dass ich mir dieses Gelaber der ahnungslosen Nachrichtenwelt einfach nicht mehr anhören. Natürlich meckert jeder über die Bahn und das tun sogar die Mitarbeiter, aber erstens macht die Arbeit größtenteils Spaß, selbst wenn es Störungen gibt und außerdem meckert doch jeder über den eigenen Arbeitgeber. Manchmal mehr, manchmal weniger.

Meine Meinung zu Verspätungen: Mein Lieblingsbeispiel ist folgendes Szenario. Nehmen wir einen ICE von Berlin Richtung Ruhrpott über Hannover. In Peine (kurz vor Hannover) spielen Kinder am Bahngleis. Aus Sicherheitsgründen muss das Gleis gesperrt werden, die Polizei wird gerufen und/oder ein Zug muss mit Schrittgeschwindigkeit den betroffenen Gleisabschnitt befahren, um zu schauen, ob dies wirklich noch der Fall ist. Damit kommt dieser ICE mal eben kurz 15 Minuten später in Hannover und den weiteren Bahnhöfen an. In Hannover wollen viele Menschen Richtung Süden umsteigen. Um dies zu ermöglichen, lässt man manche Anschlusszüge auch mal 5 Minuten warten, um diese wenigen Fahrgäste zufrieden zu stellen. Die im wartenden Zug werden aber ungeduldig und schon wird auch dieser Anschlusszug Richtung Süden diese 5 Minuten Verspätung weiterschleppen, weil auch in den Folgebahnhöfen die Anschlusszüge warten. Und damit haben kleine Kinder in Peine erfolgreich ein deutschlandweites Verspätungschaos ausgelöst.

Hier muss man jetzt natürlich alle Schichten im Bahnbetrieb verstehen: Der Fahrdienstleiter muss den verspäteten Zug auf ein anderes Gleis schicken, weil das ursprüngliche Gleis schon wieder anderweitig belegt ist. Notfalls muss der Zug vor’m Bahnhof etwas warten, was weitere Verspätung einbringt. Der Zugführer (der Hauptschaffner, nicht zu verwechseln mit dem Triebfahrzeugführer (ugs. Lokführer)) und seine Crew versuchen alles mögliche, um Anschlusszüge zu ermitteln und haben keinen Einfluss darauf, was die Betriebszentrale daraus macht, da die die Wartezeiten beschließen. Sie sind nur der First-Level-Support direkt beim Kunden und müssen sich den Unmut anhören, den andere erzeugt haben.
Noch weniger dafür kann das Personal an den Bahnhöfen. Die haben den ganzen Tag mit hektischen Menschen zu tun, die es teilweise nicht mal schaffen, pünktlich am Bahnhof zu sein und sich dann das Gebrüll der Leute anhören müssen. Diese Menschen tun alles möglich dafür, dem Kunden weiter zu helfen, um die Reise fortsetzen zu können.

In diesen Fällen muss man immer bedenken, dass hier auch nur Menschen arbeiten. Diese haben genau so schlechte und gute Tage wie ihre Kunden. Der eine schafft es mehr, der andere etwas weniger, seine Laune weiterzutragen. Das müsstet ihr kennen, wenn ihr mal in den Spiegel schaut.

Und genau so ist es jetzt auch in den ICEs mit den ausgefallenen Klimaanlage passiert. Wenn der Zugführer einen Zug bekommt (am Startbahnhof) und er stellt fest, dass die Klimaanlage ausgefallen ist, hat er nicht im Sinne, die Passagiere zu ärgern, sondern durch den Druck von oben will er nur, dass die Fahrgäste pünktlich an ihrem Ziel ankommen. Da mir in meinen Jahren bei der Bahn keine Kollegen mit einer Glaskugel im Gepäck untergekommen sind, konnten auch diese in den letzten Tagen nicht ahnen, dass die Züge mit Schulklassen so voll sind, dass die Luft zum Atmen fehlt. Und wenn diese grad in anderen, leereren Wagen beschäftigt sind, bekommt man es auch nicht so schnell mit. Vielleicht war hier zwischenzeitlich auch mal eine Fehlentscheidung dabei, aber die treffen wir alle tagtäglich, ohne Ausnahme. Und wenn man dann bedenkt, wie viele Millionen Kilometer diese Züge bereits zurückgelegt haben, kann es auch mal zu Ausfällen kommen. Ich möchte mal eure Autos sehen, wenn die 3 Millionen Kilometer zurückgelegt haben.

Ich könnte jetzt hier noch viele Stunden weiter lamentieren, aber eigentlich wünsche ich jedem von euch, dass ihr mal 1 Jahr bei der Bahn arbeitet. Ihr würdet mit Sicherheit eine andere Sichtweise dieser Probleme bekommen.

Zusammenfassung   (Anklicken zum Anzeigen)

Bitte hör auf, deine Aufmerksamkeitsspanne zu verkürzen, indem du ständig Kurzvideos schaust. Lies einfach den Text und lern wieder, zu verstehen. Nimm dir Zeit! Sonst bist du so dumm, wie die Menschen, die ich hier anspreche.


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