Ich höre keine Podcasts!

Meine Timelines werden sehr regelmäßig befüllt von Posts mit Podcasts: „Die ganze Story könnt ihr hier noch einmal nachvollziehen!“, „Ich habe mich dazu mal ein bisschen mit XYZ ausgetauscht!“, und so weiter.   Meist kein Wort dazu, dass es sich um einen Podcast handelt – weil schon die Labertaschen wissen, dass sonst niemand bei Twitter draufklickt.

Gründe, warum ich mir Podcasts nicht anhöre

Podcasts sind wie Sprachnachrichten – der Ersteller bestimmt, wie sehr er meine Zeit stiehlt. Der oder die Sprecher überlegen, was sie sagen wollen, korrigieren sich und sprechen in einer gewissen Geschwindigkeit. Je nach Deutlichkeit der Aussprache kann man mit schnellerem Abspielen der Tondatei etwas Zeit herausholen, aber das geht nicht bei allen Menschen. Gerade auch, wenn sie nuscheln, was das Zeug hält.   Selbst wenn ich solche Audiodateien auf 1.5-facher Geschwindigkeit abspiele, habe ich bei einer Stunde Podcast noch 45 Minuten Zeit verplempert.

Was die Podcaster auch einfach nicht verstehen: Ich kann einfach viel schneller lesen, als zuhören. Und schneller als sie reden können. Beim Lesen kann man einfach unwichtige Dinge im Kopf ausblenden, was beim Zuhören nicht geht. Diese unwichtigen Dinge werden komplett transportiert und belasten unnötig mein Gehirn bei der Identifizierung der wichtigen Informationen.

Außerdem ist es nahezu unmöglich, Inhalte und Verweise zu finden. Im geschriebenen Wort, gerade im Web, ist es möglich, weitergehende Informationen zu verlinken. Sobald man im Podcast oder in einem Video Verweise auf weitergehende Informationen hat, fallen dann Sätze wie: „Den Link dazu packe ich euch in die Beschreibung.“   Mal abgesehen davon, dass dies auch gerne mal vergessen wird, muss ich mich jetzt erst mal durch die Liste der 30 Links klicken, um herauszufinden, welcher der Richtige ist. Informationen gehören an die Stelle, wo sie erwähnt werden.

Und überhaupt: „Finden“ ist so ein passendes Stichwort. Podcasts sind wie Storys (siehe Instagram, WhatsApp, was auch immer) – komplett weg! Da automatische Transkription in der Erkennungsrate immer noch knapp über „random“ liegt, findet man das gesprochene Wort in keiner Suchmaschine. Von einem Ctrl+F im Browser mal abgesehen. Natürlich erstellen manche Creator grobe Themen- und Kapitel-Übersichten, trotzdem muss ich mir danach noch zwei bis zehn Minuten Gelaber anhören, bis ich an die Information gelange. Vielleicht noch unterbrochen von unnützer Werbung, die ich partout nicht blockieren kann. Und natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass die Werbung in dieser Form Absicht ist. Das ist mir so egal.

Ein wichtiger Punkt ist auch die oben genannte Verlinkung selbst. Das Internet lebt von Quer-Verweisen, Persistenz und Nachprüfbarkeit. Dies trifft auf Podcasts, wie auch Storys zu. Die Verlinkung zu Aussagen in Podcasts und auf verschwindende Storys gewissermaßen nicht möglich. Wie oft hört man Sätze wie: „Ich habe neulich bei XYZ in der Story gesehen, dass […]“ oder „Im Podcast von XYZ hat jemand gesagt, dass […]“. Wie will ich als Zuhörer dies jetzt nachvollziehen? Stellt euch vor, jemand benutzt die Information von Herrn Drosten aus einem Podcast in einer Doktor-Arbeit. Vielleicht ist es noch einfach, die Podcast-Folge zu finden, aber soll der Quellen-Prüfer jetzt wirklich das gesamte Gelaber durchhören? Von automatischer Prüfung durch Tools mal komplett abgesehen.

Wenn wir jetzt noch den Geldfaktor mit in die Rechnung aufnehmen, wird es ganz wild. Stellt euch immer vor, dass euch Informationsfindung Geld kostet und rechnet euch selbst aus, wie wertvoll eure Stunde ist. Jeder Freelancer kennt dies ja. Gehen wir mal ganz niedrig heran und machen es easy: 60 € die Stunde. Die passende Information in einem einstündigen Podcast zu finden, wird euch wahrscheinlich 2–5 Minuten kosten, also 2–5 €. Auf einer niedergeschriebenen Website kostet euch die Suche eher 10–15 Sekunden, damit also 10–15 Cent – großzügig bemessen.

Und dann ist da noch die Barrierefreiheit: für blinde oder sehgeschädigte Menschen gibt es viele Lösungen, Texte entweder vorlesen zu lassen oder auch zu vergrößern. Bei Podcasts gibt es ohne niedergeschriebene Transkription keine Möglichkeit für taube oder hörgeschädigte Menschen, an die Informationen zu kommen.

Zusammenfassend kann ich jetzt behaupten, dass ihr diese 709 Wörter, die ich hier geschrieben habe, in locker 1 bis 2 Minuten gelesen habt. Für die Erstellung habe ich dafür aber knapp 20 Minuten gebraucht und nur eine Person, also ich, musste diese 20 Minuten investieren. Und wenn ich jemanden labern hören will, setze ich mich in ein Sales-Büro.

Zusammenfassung   (Anklicken zum Anzeigen)

Bitte hör auf, deine Aufmerksamkeitsspanne zu verkürzen, indem du ständig Kurzvideos schaust. Lies einfach den Text und lern wieder, zu verstehen. Nimm dir Zeit! Sonst bist du so dumm, wie die Menschen, die ich hier anspreche.


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