Lufthansa - eine Tortur

17.12.2022 09:34
ca. 9 Minuten Lesezeit

Wow, was für eine Reise! Und dabei wollten wir doch nur nach Hause. Ein „kurzer“ Abriss der Geschehnisse von Mittwoch bis Freitag:

Mittwoch 8:30 – Abreisetag – Mountain View, Kalifornien

Aufstehen! Es wird einer langer Tag. Der Blick aufs Handy offenbart schon nicht so viel Gutes: Der Flug von San Francisco verspätet sich um knapp zwei Stunden. Bei eineinhalb Stunden Umsteigezeit schon die erste doofe Botschaft. Aber schauen wir mal, schließlich gibt es stündliche Flüge von Frankfurt nach Hamburg. Wird schon!

Der Kollege, der uns zum Flughafen fahren soll, hat allerdings noch andere Termine danach und extra weitere zwei Stunden auf dem Flughafen warten? Da nehm’ ich mir dann lieber ein Lyft XL – also ein Auto mit mehr Platz für die Koffer.

Mittwoch 13:00 (statt 11:00) Uhr

Aufbruch. Tschüss Mountain View, danke für die letzten 3 Monate. Ich werde dich ein wenig vermissen. Der Lyft-Fahrer, der schon seit 2 Jahren in der Region wohnt und aus dem Iran kommt, hat es sichtlich schwer mit der englischen Sprache. Aber wir schaffen das schon.

Mittwoch 13:30 Uhr – Flughafen San Francisco (SFO)

Als wir die Koffer abgegeben haben und uns die beiden Koffer, die wir nicht im Tarif inbegriffen hatten, preislich erlassen wurden, hätte uns das schon stutzig machen sollen. Wir haben uns jetzt erst einmal nur gefreut. Man sagte uns auch schon, dass wir den Anschlussflug von Frankfurt nach Hamburg nicht schaffen werden. Mir war das schon klar, aber dass die Mitarbeiterin uns am Lufthansa-Schalter nicht auf einen Nachfolge-Flug buchen konnte, war komisch. Das ginge nicht bei ihr am Terminal. Ihre Ausflüchte, dass ich das auch nicht mit der Lufthansa-App machen könne, waren auch zunächst komisch. Aber wer denkt sich da schon was bei?

Next step: Sicherheitskontrolle. Was für eine geile Scheiße! Die haben dort schon die neuen Scanner, bei denen man nicht mehr seine Technik aus dem Rucksack nehmen muss. The Future Is Now! Dadurch gab es auch einfach so gar keine Schlange mehr bei der Sicherheitsüberprüfung. Demnächst auch an Ihrem Flughafen: keine Notwendigkeit mehr, zwei Stunden vorher am Flughafen zu sein. Nicht mal bei internationalen Flügen. Geilo!

Aber erst einmal etwas zu Essen besorgen, danach mal versuchen, die Lufthansa-Hotline zu erreichen und versuchen, einen Folgeflug zu bekommen. Wie naiv wollen Sie sein? Ich: JA!

Nach einer Stunde und 20 Minuten in der Warteschleife und gerade in dem Moment, als wir in das Flugzeug einsteigen, kommt eine Mail, dass der Anschlussflug annulliert ist. Nun, dann kann ich wohl auflegen.

Zwei Minuten später eine weitere E-Mail, wir wurden umgebucht. Von ursprünglich 12 Uhr mittags von Frankfurt nach Hamburg auf 19:00 Uhr. WTF? So viel Verspätung haben wir jetzt auch wieder nicht!
Egal, dann schreib’ ich mal schnell eine Mail an das Firmen-Reisebüro, vielleicht können die, während ich in der Luft bin, noch etwas regeln.

Donnerstag 11:30 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Ankunft am Flughafen Frankfurt. Ich hatte nur wenige Minuten Schlaf, nichts mit Ruhe. Dafür ein paar Filme geschaut. Der Pilot hat gut auf die Tube gedrückt und aus den 2 Stunden Verspätung wurde knapp über eine Stunde. Wir hätten also, mit ein bisschen Gerenne sogar den Anschlussflug bekommen. Aber der wurde ja annulliert. Was jetzt tun? Das Reisebüro hat während unseres Fluges geschafft, uns auf die Warteliste der Flüge um 17 und 18 Uhr zu setzen. Uff.

Dann erst mal einen Lufthansa-Schalter suchen. Zum Glück gab es in unserem Terminal einen Schalter. Eine Schlange davor. Nichts komplett endloses, machbar. Aber: die Warteschlange ist geschlossen. Kein Zutritt sagt ein Mitarbeiter, der davor steht. Alle ankommenden Reisenden so: „Hä? Was ist kaputt bei dir?“ „Anweisung, wir wollen die Schalter schließen!“
Klar, zur Mittagszeit die Schalter schließen. Da natürlich nicht nur unser Flug ausgefallen ist, sondern noch weitere Flüge, ist die beste Idee, die Lufthansa haben kann, die Schalter zu schließen. Nicht, dass man den Menschen noch helfen könnte.

Der Vorschlag des Mitarbeiters: hinausgehen aus dem Sicherheitsbereich, dort sei ja noch viel mehr Kapazität an den Schaltern. Ob er mich komplett verarschen will? Wir haben uns allerdings geweigert, zu gehen. Also hat er uns und diverse andere Reisende dann doch noch in die Schlange gelassen. Eine Stunde und 15 Minuten nach der Landung haben wir es an einen Schalter geschafft. Die Mitarbeiter können ja am Ende auch nichts dafür, aber die Kommunikation der Lufthansa gegenüber den Reisenden und den eigenen Mitarbeitern ist einfach nur katastrophal.

Wir könnten uns ja Bahntickets nach Hamburg kaufen. Während unserer Wartezeit vor dem Schalter hatte ich dies bereits in Betracht gezogen und festgestellt, dass die Zugverbindungen auch eher so semi-geil sind. Etliche Zugausfälle, zu kurze Züge durch Austausch oder dreimaliges Umsteigen. Mit vier Koffern je 23 kg, zwei Rucksäcken und zwei weiteren Taschen. Kann man machen, wenn man ohnehin keinen Lebenswillen mehr hat! Als alter Eisenbahner weiß ich, dass bei den Minus-Temperaturen und Schneefall am Tag zuvor, eine Bahnfahrt wirklich die schlechteste Idee ist.

Nachdem ich dies dem Lufthansa-Mitarbeiter klargemacht hatte und er diesen Fall auch eingesehen hat, hat er uns erklärt, dass alle Flüge bis 16 Uhr auch annulliert wurden. Es gibt keine Alternative. Die Flüge um 16, 17 und 18 Uhr sind auch alle voll und er kann uns da nicht einbuchen. Auf meinen Einwand, dass wir ja bereits auch eine gewisse Zeit unterwegs seien, kam nur ein Achselzucken.

Man habe uns jetzt jeweils 15 Euro Verzehrgutschein auf unsere Boardingpässe gebucht, die wir auf dem Flughafen benutzen können. Wow!

Donnerstag 13:30 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Endlich einen Happen in die Futterluke schieben. Es gab einen leckeren Burger und vom Kellner die Frage: „War irgendetwas am Essen nicht in Ordnung?“
Ich: „Öööhm doch, war lecker.“
Kellner: „Sie schauen so grimmig.“
Ich: „Ja, wir haben schon fast 11 Stunden Flug ohne Schlaf hinter uns und dürfen jetzt noch bis 19 Uhr hier warten.“
Kellner: „Ja, da würde ich auch so gucken.“
Wenigstens konnten wir hier unseren Verzehrgutschein benutzen. Und es war seit Monaten das günstigste Essen. Man gewöhnt sich wirklich an die horrenden Preise im Silicon Valley.

Donnerstag 15:30 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Wir sitzen am Gate, an dem unser Flug später gehen soll. Hier fliegt auch gleich der 16-Uhr-Flug nach Hamburg ab. Der Schalter wird belagert von Menschen mit der Frage: „Können Sie uns noch mitnehmen, wenn jemand nicht kommen sollte?“ Die Leute sollen sich auf einem Zettel eintragen. Am Ende schafft es genau EINER dieser Personen in den Flieger.
Auf den Displays des Flughafens erscheint die Meldung, dass der 17-Uhr-Flug nach Hamburg auch annulliert ist. Na, das wird lustig.

Im A-Bereich, in dem wir die ganze Zeit sitzen, ist eine unfassbar lange Schlange vor dem Lufthansa-Schalter. Warum noch gleich wollte uns der Typ im Z-Bereich aus dem Sicherheitsbereich schicken, wenn hier auch ein großer Schalter ist?

Donnerstag 18:00 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Yeah, „nur“ noch eine Stunde. Nachdem wir schon ein paar Mal im Sitzen eingenickt sind, ist ein Ende in Sicht. Bisher keine Meldung, dass der Flug gestrichen wird. Die Maschine steht schon am Gate, kam vorher aus Athen. Die vorherigen Passagiere sind raus. „Was soll jetzt noch schiefgehen?“, fragt man sich. Die Leute am Flughafen so: „Halt mein Bier!“

Donnerstag 18:30 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Für jetzt war das Boarding angesetzt. Stand zumindest eben noch auf dem Bildschirm. Wurde jetzt aber um 10 Minuten nach hinten verschoben. Geschenkt!

Donnerstag 19:00 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Na, was schätzt ihr, wo wir sind? Richtig, immer noch in der Schlange vor dem Gate. Alle 10 Minuten verschiebt sich das Boarding um 10 Minuten nach hinten. Sie bekommen den Flieger nicht gereinigt, nicht aufgetankt und schon gar nicht beladen. Es fehlt Personal.
Gleichzeitig hören wir auf der anderen Seite des Gangs, die Meldung des Fluges nach Berlin: „Meine Damen und Herren, dieser Flug fällt leider aus. Die einzige Möglichkeit, die Sie jetzt haben, ist sich auf eigene Verantwortung ein Bahnticket zu buchen und bei uns online einzureichen.“
Uff! Hoffnung? Hab’ ich noch welche? Ich weiß es jetzt nicht mehr. Meine Gedanken sind bereits Brei. Und ihr kennt ja das Problem: „Nach müde kommt doof und müde ist bereits seit 7 Stunden vorbei.“

Wir haben uns inzwischen mit diversen Leuten in der Schlange in ein Gespräch verwickelt. Es hält uns wach.

Donnerstag 20:00 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Wir dürfen einsteigen. Ich glaube, ich freu’ mich ein wenig und denke: „Gleich sind wir zu Hause.“ Wie wenig ich an diesem Tag schon gelernt habe? Offenbar nix!

Donnerstag 21:00 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Wir stehen immer noch am Gate. Wir wollten längst in Hamburg sein. Tja, schade. Der Flieger ist immer noch nicht beladen. Der Flughafen ließ während der Beladung noch einmal das Personal tauschen. Kann man so machen.

Donnerstag 21:30 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Wir rollen. Zum Enteisen des Flugzeugs. Aber wir rollen. Allerdings sollten wir uns beeilen, wenn wir noch rechtzeitig nach Hamburg wollen. Um 23 Uhr schließt der Flughafen seine Bahnen. Nachtflugverbot. Ansonsten schaffen wir es nur bis Hannover. Wer will schon in Hannover stranden?

Donnerstag 22:00 Uhr – Frankfurt/Main (FRA)

Wir heben ab. Wir schaffen es wahrscheinlich gerade so.

Donnerstag 22:47 Uhr – Hamburg (HAM)

Wir sind in Hamburg gelandet. Geilomat!
Jetzt nur noch „schnell“ die Koffer holen. Auf dem Weg zum Kofferband fällt mir auf, dass der Flieger, der 90 Minuten nach unserem Flieger in FRA losfliegt, bereits eingetroffen ist und die Menschen schon am Kofferband warten. Pfff, blöde Angeber!

Unser Kofferband läuft, ein paar kleine Koffer kommen raus. Dann kommt ein Mitarbeiter und versucht zu erklären. Offenbar ist hinter den Kulissen etwas ausgefallen. Sie bekommen die Koffer nicht mehr aufs Band raus. Das Band stoppt. Ob die mich heute noch komplett verarschen wollen?

Das Problem: das Personal darf den Sicherheitsbereich nicht verlassen, hinter dem Absperrband ist Sicherheitsbereich, direkter Kontakt zu den Reisenden außerhalb des Bereichs ist natürlich nicht gestattet. Spannend.

Das Personal überlegt, ob sie den Rollwagen einfach zu den Reisenden rausschiebt. Der Wagen wiegt wohl zwei Tonnen. Mein Einwand, dass die Fliesen sich über dieses Gewicht bestimmt freuen werden, wurde zur Kenntnis genommen und die Idee verworfen.

Man bringt die Koffer jetzt mit den Kollegen zusammen aus dem Lager. Aus der Ferne versuchen die Reisenden, ihre Koffer zu erkennen. Die Koffer werden einem unter dem Sperrband und mit 2 Metern Abstand zum Personal zugerollt, wenn man sein Gepäck erkannt hat. Spannend, aber unsere Koffer sind wieder in unserer Hand.

Jetzt schnell raus zu den Taxis. Wir haben es kurz vor Mitternacht.

Freitag 00:15 Uhr

WIR. SIND. ZU. HAUSE.

Eine halbe Stunde später und damit nach 40 Stunden und 15 Minuten auf den Beinen, liegen wir endlich im Bett. Die Tortur hat ein Ende. Vorerst. Denn jetzt wird ein Anwalt klären, ob wir Anspruch auf eine Entschädigung haben.

Ich bin nur froh, dass wir es geschafft haben.


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