Meine Learnings aus dem Silicon Valley - Teil 2

05.12.2022 05:00
ca. 9 Minuten Lesezeit

Wenn ihr den ersten Teil noch nicht gelesen habt, macht dies gerne zuerst, dann wisst ihr auch, warum und wieso ich das Ganze hier schreibe.

Halloween ist einfach schöner als Karneval

Viele Westdeutsche hören wahrscheinlich schon bei dieser Überschrift auf, weiterzulesen – wie kann ich es wagen, das geliebte Karneval anzugreifen?

Aber was mich daran schon immer gestört hat ist, dass es so lange geht. Warum muss man das „Fest“ schon im November einläuten und erst im Februar damit aufhören? Das geht auch kürzer, wie bei Halloween. Hier werden circa 3 bis 4 Wochen vorher die Häuser geschmückt, dann ist das eigentliche Event, worüber sich Kinder auch richtig freuen und dann ist es vorbei. Kein Gejammer, weil das ja viel zu gruselig sei – diesen Vorwand denken sich ohnehin nur Gegner des Events aus.
Außerdem gibt es schöne Straßenfeste dazu, bei denen einem die Süßigkeiten nicht gegen den Kopf geworfen werden (wer hat sich diesen Wurf-Quatsch eigentlich einfallen lassen?), sondern sich die Kinder diese einfach nehmen können.

Große Entfernungen in Deutschland gibt es quasi nicht

Die Liebste und ich haben einen Roadtrip gemacht. Der Plan war, in einer Woche vom Silicon Valley über Arizona, New Mexico, Colorado, Wyoming, Utah, Idaho und Oregon zurück ins Valley.

„Och, 51 Stunden, das ist knapp über 2 Tage. Das schaff’ ich ja wohl locker in 7 Tagen!“, also von Montagmittag bis nächste Woche Montagabend. Oh mein Gott, wie dumm und naiv ich war.
Jetzt kommt euch bestimmt der Gedanke: „Na, Verkehr nicht eingerechnet? Jeder kennt doch den Stau in den USA!“
Wenn man seine Meinung aus dem Fernsehen hat, kann man davon ausgehen. Aber genau das war das einzige Problem, das NICHT aufgetreten ist. Die Straßen sind auf dem Land so frei, du begegnest auf einem Highway zwischen 17 und 18 Uhr einfach mal nur 3 Autos. So leer ist es dort.

In einigen Bundesstaaten hat man Geschwindigkeitsbegrenzungen bis zu 80 mph (knapp 128 km/h), sodass man in den Gegenden auch gut vorankommt. Wenn du aber zwischen zwei Ortschaften in Utah auch einfach mal 115 Meilen (ca. 185 km) Platz hast, also keine Ortschaft, nicht mal ein Dorf, dann wird Auto fahren zu einer echten Herausforderung. Eine Bahn gibt es für Güterzüge, also keine Alternativen in Aussicht. Übelster Pain. Ehrlich! Aber diese Landschaften sind einfach atemberaubend und du kannst sie nicht auf Fotos festhalten. Man muss es selbst erleben.

Und wenn du auch was sehen willst, sind zwar 8 Stunden Fahrt am Tag theoretisch machbar, aber allein nicht schaffbar. Auch der Müdigkeit wegen. Deshalb haben wir die Route spontan verändert:

Dadurch haben wir gesehen:

  • Grand Canyon – unfassbar beeindruckend
  • Monument Valley – was zum Fick, wie entsteht so etwas? Unglaublich, dieser Anblick!
  • Berglandschaft um Salt Lake City – och, da könnte ich mir vorstellen, zu leben
  • Shoshone Wasserfälle in Twin Falls – im Frühjahr, wenn es Wasser gibt, bestimmt viel beeindruckender
  • die verschneiten Wälder von Oregon
  • Red Woods Nationalpark – mit dem weltweit größten Mammutbaum-Bestand

Also die Natur hier ist einfach so unglaublich beeindruckend und es ist wirklich unvergleichbar mit irgendwelchen Bergen, Wäldern oder anderen zu groß geratenen Steinen in Deutschland.

Wer mir nach der Tour noch einmal erzählen will, dass er ja so weit fahren müsse, nur weil man mal eine Stunde unterwegs ist, der bekommt auch direkt die Aufgabe, diese Route zu fahren! Das nächste Mal gibt es eine solche Route aber eher mit dem Wohnmobil und mit mehr Zeit.

Tesla nur im Valley

Im ersten Teil hatte ich ja beschrieben, dass es so viele Teslas hier gibt. Ja, aber wirklich nur im Valley. Sobald du weiter in weniger befahrene Gebiete fährst, gibt es nur noch ein paar Touristen, die so doof sind, mit einem Tesla auf dem Land zu fahren.

Deutsche sind peinlich

Ich hatte ja dieses USA-Dingens schon mal 2018 mitgemacht und war zwischenzeitlich auch einfach mal einen Monat allein in New York City. Dadurch war ich regelrecht dazu gezwungen, mich mit Einheimischen abzugeben und zu umgeben. Das war super!
Bei diesem Accelerator-Programm handelt es sich allerdings um Firmen aus Deutschland und das führt dazu, dass sich die Deutschen ständig nur mit ihresgleichen umgeben. Was soll ich sagen: Das ist sooooo nervig!

„Oh, da findet ein Event mit anderen Deutschen statt, lass uns da hingehen!“
„Wir haben uns zum Wandern verabredet.“ - Wie viele Nichtdeutsche dabei waren? Ratet! (Tipp: die Zahl liegt unter 1)
„Das ist hier alles so teuer, ich wanz’ mich in andere Veranstaltungen rein, damit ich mir das Kaufen meines Abendessens sparen kann! Dafür geh’ ich sogar zum Thanksgiving-Essen irgendeiner random Kirche!“

Und überhaupt, wie können es denn die anderen Völker wagen, sich nicht wie die Deutschen zu verhalten? Die Häuser hier haben ja, wie ihr wisst, kaum Isolierung. Unter dem Fußboden hat man meist eine Luftschicht bis zum natürlichen Boden. 404 - Fundament not found. Die Häuser sind größtenteils so gebaut, dass die Klimaanlage dafür sorgt, den Staub auch unter den Möbeln hervorzuholen und durch die Gegend zu pusten. Wenn du keinen Teppich hast, fegst du gelegentlich mal die Ecken leer und wischst sporadisch mal gaaaanz leicht feucht durch.
Der gemeine Deutsche allerdings macht die Klimaanlage aus und beschwert sich, dass die Amerikaner ja gar keine passenden Putzutensilien besitzen.
Ich mach’ jetzt hier mal den Apple-Move: Du benutzt das Haus falsch!

Aber dann zieht man lieber den Staubsauger ohne nennenswerte Leistung (weil das Stromnetz den 2000W-Staubsauger sowieso nicht mitmacht), ohne ausgefahrene Bürste über den Parkettboden. Da freut sich der Boden sehr drüber. Lieber nicht den Besen und Feudel nutzen. „Das haben wir schon immer so gemacht!“

Dabei war das Ziel dieses Ausflugs ins Valley ja, dass die Deutschen lernen, wie die Amerikaner, wie der Markt, wie die Investoren funktionieren. Alles Dinge, die durch die Teilnehmer größtenteils komplett ignoriert werden.

Massenentlassungen im Valley kamen nicht überraschend

Wie ihr bestimmt mitbekommen habt, gab es hier im Valley in den vergangenen 6 Wochen so viele Entlassungen wie seit Langem nicht. Ich kann mir vorstellen, dass in der Tech-Branche seit der geplatzten Dotcom-Blase damals solch eine Entlassungswelle nicht wiederzusehen war.

Aber nach der Ankündigung bei Twitter durch Elon Musk war den Einheimischen klar, jetzt geht’s rund! Jetzt wird es bei den anderen großen Firmen weitergehen mit den Entlassungen.
Genau so kam es dann auch. Wir sind zwar knapp 10.000 km von Deutschland entfernt, aber gefühlt kam es für die Deutschen ziemlich überraschend. Ich prophezeie, dass es in Deutschland spätestens ab März/April auch losgehen wird mit solchen Entlassungen.

Es ist nicht meine Gegend

Jetzt denken viele Menschen aus der Branche ja: „Boah, geil. Silicon Valley! Da will ich hin!“
Im Sommer ist das Wetter echt cool, im Winter ist es auch noch besser als in Deutschland. Aber es ist nicht nur das Wetter. Es sind die Menschen. Und diese Menschen sind der Grund, warum ich hier nicht wohnen möchte.

Während man von New York City immer sagt, es wäre die Stadt, die nie schläft, schläft das Silicon Valley eigentlich immer. Meines Erachtens liegt es nicht nur daran, dass die Leute hier viel arbeiten und dann nur noch nach Hause wollen. Es liegt eher an den vielen unterschiedlichen Kulturen, die hier so unter sich bleiben. Rund ein Viertel der Einwohner hier im Valley sind Asiaten, was deutlich über dem Durchschnitt der USA liegt. Es gibt so viele Einrichtungen wie Schulen, Restaurants und Supermärkte, die sich auf einzelne Landesherkunften spezialisiert haben, sodass die Chinesen unter sich bleiben, die Inder unter sich bleiben, die Japaner unter sich bleiben. Das finde ich so traurig, da alle Kulturen von den jeweils anderen so viel lernen können.

Dieses Lernen passiert aber nicht. Dafür ist ab 20 Uhr tote Hose. Auf den Straßen. In Restaurants – viele von denen schließen bereits um 20 oder 21 Uhr. Socializing-Events starten zwischen 17 und 18 Uhr, weil nach 21 Uhr alle gefühlt im Bett liegen. Die Leute hauen ab 20 Uhr beim spannendsten Vortrag ab. Unglaublich!
Das ist übrigens auch kein Phänomen seit der Pandemie, das ist mir auch schon 2013 aufgefallen, als ich das erste Mal hier war.

Alles ist so laut

Ich dachte seit 2018/19, es läge an New York City. Es läge an der Größe der Stadt. An der Menge der Menschen. Aber nein. Die USA sind laut. Die Menschen sind laut, die Maschinen sind laut. Ich weiß nicht, wie die Menschen es hier schaffen, dass mitten in der Nacht die Klimaanlagen anspringen und einen Lärm machen, als würdest du neben einem kleinen Flugzeug stehen. Es ist mir ein Rätsel.

Alles ist so kalt

Apropos Klimaanlage: ist das hier kalt. Wenn Räume hier nicht auf 18 Grad heruntergekühlt sind, fangen die Amerikaner an zu schwitzen. Zumindest die Männer. Frauen sehe ich meist, auch im Hochsommer, mit dickem Pullover herumsitzen. Wie kaputt soll dein Wärmeempfinden sein? Amerikaner: JA!

Wir haben jetzt Dezember und bei 8 Grad Außentemperatur laufen die Leute hier teilweise in kurzer Hose und mit Flipflops herum. Und natürlich werden die Räume immer noch runtergekühlt. In Bürogebäuden habe ich bisher keine Warmluft aus den Klimaanlagen wahrgenommen.

Schokolade schmeckt nicht

Gefühlt hat die Firma Hershey hier ein Monopol auf Schokolade. Auf wirklich ekelhafte Schokolade. Selbst Kitkat ist hier nicht von Nestlé (kauft bitte auf keinen Fall Dinge von dieser Firma!), sondern von Hershey. Ich konnte bisher noch nicht so ausmachen, warum die Schokolade so ekelhaft ist. Liegt es daran, dass sie süßer ist? Vielleicht daran, dass sie andere Kakao-Mischverhältnisse nehmen? Ich weiß es nicht. Aber die sollten echt noch einmal einen Kurs besuchen, wie man echt gute Schokolade herstellt.

Erdbeben sind heftig

Ich habe hier mein erstes Erdbeben mitgemacht. Für uns Norddeutsche ist das wirklich ein Erlebnis, während die Süddeutschen ja fast Übung darin haben. Nur ein paar Kilometer von hier entfernt, östlich von San José war das Epizentrum und es war bis San Francisco spürbar.

Zuerst kam bei der Liebsten und mir eine Warnung von Googles ShakeAlert und knapp 4–5 Sekunden später spürten wir das Wackeln, als würde jemand durch das Haus stampfen. Es handelte sich, wie in den Nachrichten kommuniziert wurde, um ein Beben der Stärke 5.1 auf der Richter-Skala. Andere Menschen, die wir gefragt haben, haben es nicht gespürt, weil sie in diesem Moment gerade draußen am Gehen waren. Ein anderer hatte Restless-Legs-Syndrom und es dadurch nicht gespürt, während die Menschen um ihn herum direkt aufgesprungen und zur Sicherheit ins Freie gegangen sind.


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