Warum eigene Büros nicht so schnell aussterben werden

Die Karrierebibel fragt in einem Beitrag, ob im Jahr 2020 noch Büros so existieren werden. Hätte man mich letztes Jahr gefragt, hätte ich wohl gesagt: Nein. Jetzt sage ich: Ja.

Noch bis vor Kurzem habe ich alleine zu Hause gearbeitet und mit meinem Laptop unterm Arm hätte ich mir auch ein lauschiges Plätzchen in einem New Yorker Park suchen können, hauptsache Strom und Internet ist irgendwie da. Ist ja heute alles kein Problem mehr. Inzwischen arbeite ich aber nicht mehr allein und schon ergaben sich dann völlig neue Herausforderungen.

Beispiel: Ich arbeitete mit dem neuen Mitarbeiter einfach mal in Hamburg im Werkheim, um zu probieren, ob dies zu zweit ginge. Grundsätzlich ja, wären da nicht die anderen Menschen. Als Programmierer wird man ständig genötigt, irgendwelche NDAs zu unterschreiben und einzuhalten. Muss man also mit dem Kollegen auch mal eine Frage klären, was z.B. das Thema Sicherheit angeht, dann ist es unmöglich, sich dafür extra eine Stunde einen Meetingraum zu mieten. Es ist eine Frage, die sicherheitstechnisch relevant ist, aber in 30 Sekunden geklärt ist. Und genau da liegt das Problem. Natürlich hatten wir genau den Fall, dass jemand mit furchtbar spitzen Ohren neben uns saß und wir uns den ganzen Tag über Chat unterhalten mussten, obwohl wir manche Fragen, wenn wir uns schon gegenüber saßen, hätten mündlich schneller klären können.

Aber es geht ja nicht nur um solche Fragen, sondern auch um Kundentelefonate. Sowas bekommt man in Coworking-Spaces eben alles live mit. Z.B. sitzt da eine Frau im Werkheim mit gelegtem Festnetzanschluss und telefoniert grundsätzlich so laut, dass alle was davon haben. Erstens interessiert mich nicht, was sie für Probleme mit ihren Kunden hat und schon gar nicht haben alle Menschen mitzukriegen, was man für neue Projekte plant, vielleicht sogar mit Preis- und Zeitschätzung.

Jetzt kann man argumentieren: „Du willst doch eh lieber alles per Mail klären“. Meine Antwort: „Ja, ich!“. Andere sind da nicht so diszipliniert und finden am Telefon zu Sau machen einfach viel spannender, als eine vernünftige Mail zu schreiben.

Aber mal weg vom Co-Working, was seit dem Tag für mich gestorben ist, hin zu der Theorie, dass man ja auch zu Hause arbeiten kann. Ich persönlich kann von mir behaupten, dass ich Multi-Taskingfähig bin. Ich kann TV gucken, telefonieren und nebenbei trotzdem weitercoden. Das können nur ein Großteil der Deutschen nicht. Viele bekommen die Trennung von Beruf und Privatleben nicht gut hin, meistens nicht in der Richtung „Ich arbeite zu viel zu Hause für den Arbeitgeber“, sondern in die Richtung „Ich hab alles Mögliche im Haushalt zu tun und lasse mich ständig von Zeug ablenken, weil das niemand überprüfen kann“. Dadurch bleibt oft viel liegen und viele Arbeitnehmer wollen dann selbst wieder in die Büros zurück, weil der Stress zu hoch wird. Auch merkt man oft in Firmen, dass wenn ein Kollege zu Hause arbeiten darf, dass es Gerede à la „Ach, der schafft nur die Hälfte von dem, was wir hier schaffen“ gibt.

Und dann gibt es da noch eine Sache, die wieder mehr Bedeutung bekommt: Das zwischenmenschliche Kollegentum. Es gab seit dem Ende der 90er, als die große Privatisierungswelle losging, einen Trend, das Kollegentum verhindern zu wollen. Dies hat man bei den großen ehemaligen Staatsbetrieben ziemlich gut gemerkt. Allerdings hat man inzwischen gemerkt, dass das keine so gute Idee war, denn Menschen arbeiten einfach besser zusammen, wenn sie sich gut verstehen. Klar, manche verstehen sich besser, wenn man sie nicht in einen Raum sperrt, aber leider arbeiten die Menschen mit räumlicher Nähe einfach etwas besser zusammen, als die, die sich nur einmal im Jahr sehen.

Das kommt natürlich auch etwas auf den Beruf an. Wo man Coder lieber in einen Raum sperrt und ihm Tickets gibt, die er abarbeiten soll, wäre es wohl denkbar schlecht, eine Sekretärin oder einen Grafiker zu Hause arbeiten zu lassen. Diese Berufsgruppen sind von Haus aus einfach viel kommunikativer.

Von daher denke ich, ist das Home-Office oder das Co-Working-Only-Office genauso utopisch wie das papierlose Büro.

Zusammenfassung   (Anklicken zum Anzeigen)

Bitte hör auf, deine Aufmerksamkeitsspanne zu verkürzen, indem du ständig Kurzvideos schaust. Lies einfach den Text und lern wieder, zu verstehen. Nimm dir Zeit! Sonst bist du so dumm, wie die Menschen, die ich hier anspreche.


Kommentare

Tobias

Sitze gerade im Werkheim und die Frau telefoniert tatsächlich IMMER laut und hat IMMER irgendwelche Projektprobleme. Aber sicher ist: Schuld sind immer die anderen ;-)

Kommentar schreiben

Jeder Kommentar wird vor der Veröffentlichung überprüft.